Produziert für: motorsportpics.de. Jahr: 2021.
Kategorie: Sportfotografie / Motorsport.
In Hockenheim ging Ende Juli ein Kindheitstraum in Erfüllung: im Paddock der Formel 1 arbeiten. Nachdem ich bei motorsport.com schon anderthalb Jahre Artikel über die Königsklasse schreiben durfte, war ich im Badischen dann endlich auch persönlich im Fahrerlager - aber als Fotograf für motorsportpics.de und nicht mehr als Redakteur. Nach dem Besuch der MotoGP wenige Wochen zuvor am Sachsenring ein weiteres unvergessliches Erlebnis. Nicht gerade alltäglich, direkt neben Sebastian Vettel und den anderen Stars zwischen den Motorhomes zu laufen! Dass ich dabei auch meine alten Kollegen und Freunde von motorsport.com treffen konnte, hat mein Gastspiel im F1-Paddock erst recht besonders gemacht.
Das ganze Rennwochenende am Hockenheimring war dabei etwas Spezielles: Möglicherweise der letzte Große Preis in Deutschland - zumindest für den Moment. Aber da waren ja noch die zahllosen Geschichten, die das Wochenende schrieb: emotionale Achterbahnfahrten, Drama, Überraschungen und große Aufholjagden. Und am Sonntag fand dank des Regens wohl eines der besten Rennen der letzten 15 Jahre, zusammen mit Jenson Buttons legendärem Sieg in Kanada 2011, statt.
Ehre wem Ehre gebührt: Nicht ohne Grund steht Max Verstappen auch in meiner Galerie ganz oben. Was gibt es über den Sieger des verrückten Rennens zu sagen, was nicht schon gesagt wurde? Eigentlich nichts, ich versuche es trotzdem: Hockenheim war wieder eine blitzsaubere Leistung des jungen Holländers, der sich nach seinen Problemen zu Beginn der vergangenen Saison zu einer echten Waffe gemausert hat. So bescherte er Honda innerhalb von drei Rennwochenenden zwei Siege und eine Pole, dazu den zweiten Platz in Ungarn. Wer weiß: Vielleicht blüht uns bald eine Ära wie Schumacher bei Ferrari, Vettel bei Red Bull oder Hamilton bei Mercedes. Ich bin gespannt!
In Hockenheim stand auch ein weiterer Youngster im Fokus: Mick Schumacher. Oft frage ich mich, ob sein Nachname für ihn mehr Fluch als Segen ist. Er wird ihm sicher manche Türe öffnen, bringt aber genauso große Erwartungen mit sich. In genau diesem Zusammenhang scheinen die Menschen manchmal auch zu vergessen, dass Mick ein eigener Charakter und nicht sein Vater ist. Mit eigenem Tempo, auf der Strecke und in der Karriere selbst. Die Demo-Runden in Michaels Auto aus dem Jahr 2004 waren trotzdem etwas Besonderes. Auch für mich - vor allem aber wegen des Sounds und der Stimmung, die plötzlich an der Strecke aufkamen. Ein Schumacher im Ferrari? Die Massen hat es in jedem Fall gefreut ...
Der Torpedo ist zurück! Vielleicht die größte Überraschung auf dem Podium nach Sebastian Vettel war Daniil Kvyat. Bei schwierigen Bedingungen holte der schon zweimal von Red Bull geschasste Russe sein drittes Podest der Königsklasse, nur Stunden nachdem er Vater einer Tochter wurde. Und das alles in einem Toro Rosso. Das nennt man wohl ein gelungenes Wochenende!
What a difference a day makes: Donnerstag noch der Sonnenschein im Fahrerlager, musste Pierre Gasly am Freitag einen Crash verdauen - genauso wie auch am Rennsonntag. Sich gegen einen Verstappen im Team zu messen, ist nicht die dankbarste Aufgabe. Und trotzdem könnte es besser laufen. Gasly scheint die Grundcharakteristik des Roten Bullen nicht zu liegen - vom oft zitierten Momentum im Sport fangen wir erst gar nicht an. Nach Platz vier in Silverstone war Hockenheim wieder ein klarer Rückschlag im Kampf um sein Cockpit - da gibt es Leute im Toro Rosso, die auf das Podium gefahren sind und nur auf ihre zweite Chance warten. Der späte Crash mit Stallgefährte Albon im Schwesterteam hilft da auch nicht. Hoffen wir, dass er die Kurve bekommt - denn eigentlich kann er fahren. Und das hat der sympathische junge Mann in den Junior-Formeln oft genug bewiesen.
Wenn einer auf Netflix verschnupft reagiert ... dann muss er Lewis Hamilton heißen! Der Weltmeister war in Hockenheim sichtlich angeschlagen, ließ sich am Samstag aber die Butter nicht vom Brot nehmen. Stattdessen warf er das Rennen am Sonntag selbst weg: Ein Abflug, resultierend in einem kaputten Frontflügel, ein Highspeed-Dreher und nur Punkte dank einer Strafe gegen beide Alfas - willkommen im Vorhof zur Hölle. Dass er nicht krank und geschlagen in der Doku-Serie "Drive to Survive" von Netflix zu sehen sein will, ist verständlich. Aber besonders authentisch ist es auch nicht. 
Was für eine Achterbahnfahrt: Zuerst ein technischer Defekt in der Qualifikation und Startplatz 20, im Rennen dann aber das Podest. Alles innerhalb von 24 Stunden möglich, wenn man Sebastian Vettel heißt! Extrem geladen ging er nach dem Defekt am Samstag zum Media Panel, ich hatte wirklich Mitleid mit ihm - und  ein schlechtes Gewissen, ihn zu fotografieren. Aber wir alle machen im Paddock unseren Job - und meiner war es eben, das zu dokumentieren. Um so größer war am Sonntag natürlich auch meine Freude, Sebs kontrollierte und blitzsaubere Fahrt von 20 auf 2 festzuhalten. Ich hatte noch zu einem Freund im Paddock gesagt: "Wart's ab! Wenn es morgen regnet, dreht sich das Schicksal des letzten Jahres um." Und siehe da: Pole-Sitter Hamilton flog im Regen zweimal ab, Vettel fuhr von ganz hinten nach fast ganz vorne. Wie sich die Geschichten doch gleichen können. Als der Local Hero dann in den letzten Runden die Überraschungen Stroll und Kvyat in der Parabolica kassierte, drehte selbst die Mercedes-Tribüne durch. Gänsehaut pur, wenn der ganze Ring ein Überholmanöver bejubelt. Strahlend verließ er am Ende das Paddock - stilecht und mehr als authentisch auf dem Rücksitz vom Motorroller seines Vaters Norbert.
Stroll auf P4? Ja, wir konnten es alle nicht wirklich glauben am Sonntag. Aber in einem Rennen, das einfach alles auf den Kopf stellte, war auch ein vierter Platz für den kanadischen Junior von Racing Point drin. Mutiger Strategie sei dank, nicht unbedingt wegen überragender Pace - wobei er Valtteri Bottas doch lange in Schach halten konnte. So lange, bis der Finne in der ersten Kurve abflog und die Riesenchance in der WM aufzuholen wegwarf. Beinahe wurde es so das zweite Podium für den Kanadier. Aber das Safety-car brachte einen gewissen Sebastian Vettel an die Spitzengruppe heran - und letztendlich an Stroll vorbei. Wertvoll war das überraschende Ergebnis aber auch so allemal, besonders für sein zuletzt arg gebeuteltes Team: Denn die Punkte sind für Racing Point bares Geld wert.
Des einen Glück, des anderen Pech: Daniel Ricciardo wünsche ich als Letztem einen Defekt, denn ich mag diesen Typen. Lustig, schnell, immer den Schalk im Nacken. Nur am Sonntag nicht, als ihn wieder einmal sein Renault im Stich ließ. "Man, I feel bad for you", sagte ich ihm noch, als er sich frustriert auf den Motorroller der Marshalls sinken ließ. Zuerst reagierte er gar nicht, später dann schaute er einfach frustriert herüber und nickte. Ob sich dieser Wechsel zu Renault auszahlen wird, außer auf seinem Konto? Ich habe meine leisen Zweifel. Für mich war sein Ausfall aber sehr dankbar, denn ich war zu diesem Zeitpunkt der einzige Fotograf an dieser Stelle. Ergo: Exklusive Bilder, die auf allen Plattformen liefen, die über Ricciardo Ausfall berichteten: darunter Motorsport.com und die offizielle Formel-1-Webseite. 
Ja, diese beiden Fotos sehen anders aus als der Rest in der Galerie. Aber der Vintage-Look ist voll und ganz beabsichtigt. Genau so, wie er es auch bei Mercedes war. Was war das für ein Wochenende, zumindest in der Theorie: 125 Jahre Motorsport gefeiert, 200 Rennen als Team, eine Sonderlackierung, alle Mitarbeiter zur Feier des Tages im Stil der 1950er-Jahre gekleidet und die Fahrer holen einen Doppelsieg beim Heimrennen, für das man als Namenssponsor auftritt. Aber nur in der Theorie und nicht der Realität. Hätte, wäre, wenn. Manche Dinge sind einfach zu schön, um wahr zu sein. Lange Zeit sah es so aus, als würde sich alles perfekt zusammenfügen: Bis Runde 30 führten Lewis Hamilton und Valtteri Bottas das Rennen am Sonntag an. Doch dann zerbrach das perfekte Wochenende wie Hamiltons Frontflügel in der vorletzten Kurve. Was folgte, war ein Katastrophenstopp, falsche Strategie und zwei weitere Abflüge der Piloten. Fazit des Jubiläums: Ein kranker Hamilton nur dank der Strafe gegen beide Alfas in den Punkten, Bottas mit selbst verschuldetem Crash ganz aus dem Rennen. Sind wir ehrlich: Für die Dramaturgie des Wochenendes hätte es besser nicht laufen können. Und trotzdem muss man mit Toto Wolff fühlen. Es ist dieser eine Tag im Büro, der so gut anfängt und am Ende zur großen Katastrophe wird. Doch wie heißt es: Aus Niederlagen lernt man mehr als aus Siegen. Deshalb ist hier auch keine Häme angebracht, sondern vielmehr Respekt. Respekt, dass Mercedes es so konstant schafft, einen "Top-Job" abzuliefern und die Motivation hochzuhalten. Zumindest normalerweise, denn Hockenheim war ein Ausrutscher. Aber ein ungemein Schmerzhafter. Ungarn nur eine Woche später hat derweil bewiesen: Der Stern der Stuttgarter sinkt kein bisschen. Denn da stimmte wieder alles: abgezockte Strategie, fahrerisches Können und die Boxenstopps on point. Nur Bottas ließ wieder Federn - nach einem harten Kampf gegen Hamilton in der ersten Runde, bei dem er sich den Frontflügel beschädigte. Wahrscheinlich kostet ihn der Doppelfehler sein Cockpit. Vorteil Ocon.
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