Produziert für: Eibner-Pressefoto Jahr: 2022.
Kategorie: Sportfotografie / Motorsport / Blog.

Lieber Sebastian,

ich will mal ganz ehrlich sein: Ich habe nur ganz kurz gezuckt. Nicht, weil es mich nicht getroffen hätte, als Du jetzt deinen Rücktritt bekannt gegeben hast. Sondern weil man es gespürt hat. Dass die Leidenschaft für andere Dinge im Leben inzwischen größer ist als die Leidenschaft für den Motorsport. Danke an dieser Stelle aber schon einmal, dass Du die Leidenschaft eines Fans geweckt hast. Die Leidenschaft, die den Fan zum Journalisten und Motorsportfotografen gemacht hat. Aber gehen wir zurück in die Vergangenheit, – genauer gesagt an den Anfang deiner Karriere.
Ich erinnere mich heute noch ganz genau: dein erster Punkt in Indianapolis, dann Sieg in Monza 2007, als der junge Kerl aus Deutschland allen um die Ohren fuhr – und natürlich deinen ersten Titel. Was das für ein unglaubliches Jahr war, dieses 2010! Es war auch das Jahr, als ich das erste Mal als Fan auf der Tribüne in Hockenheim saß. Dann, am Tag des letzten Rennens, fotografierte ich ein Fußballmatch der Kreisliga C in meiner Heimatstadt. Alles, weil ein Freund damals spielte. Den ersten Teil des Final-Rennens sahen wir im Anschluss an das Spiel noch im ersten Sportheim, – den zweiten Teil dann im nächsten. Das Safety Car erlaubte auch uns in Reutlingen so manche »Strategiespiele«. Wir fuhren während eures Rennens unser eigenes kleines Rennen, um alles wieder live verfolgen zu können. Das Endergebnis? »DU. BIST. WELTMEISTER!« Ab 2011 und bis 2013 dann? Purer Wahnsinn, teils totale Dominanz, aber auch das irre spannende Finale in Brasilien.
Es war ein unglaublicher Run. Einfach nur wow!​​​​​​​
Live sah ich dich dann 2018 wieder von der Tribüne in Hockenheim, als ich für Motorsport-Total.com schrieb. In der Zwischenzeit warst Du zu Ferrari gewechselt und warst im WM-Kampf mit Lewis Hamilton. Auch bei diesem verdammten Regenrennen, das viele immer noch als diesen einen Wendepunkt in deiner Karriere sehen. Aber ob das wirklich so ist, weißt nur Du. Und auch nur Du musst das wissen, nicht wir. 2019 war ich dann das erste Mal akkreditiert in Hockenheim – und du fuhrst am Sonntag von 20 vor auf zwei! Und du stelltest alle Kritiker mal wieder ruhig. Besonders klar sehe ich aber noch diesen Moment beim Trackwalk am Donnerstag vor mir, als ich dich mit der Kamera begleitete. Plötzlich kam dieser ältere Marshall gelaufen und fragte dich nach einem Autogramm. Ob du diese Kleider in der Tüte unterschreiben könntest? Na klar, hast Du entgegnet. Und er? Erzählt irgendwo zwischen Stolz und Schauder, dass das genau die Weste sei, mit der er dich vergangenes Jahr aus dem Kies gezogen hat. Oben in der Sachskurve. Du lachst, unterschreibst, sprichst noch kurz locker mit ihm und läufst weiter.
Ich war komplett geschockt, wie cool Du wirklich bist. Wirklich, großer Respekt.​​​​​​​
Dann Barcelona 2020 bei den Tests. Das war kurz vor Corona, als alle im Mediacenter die Türen schon mit dem Ellenbogen öffneten. Die Sache mit Ferrari war schon abgekühlt. Und drei Wochen später dann der erste Lockdown, bis in den Sommer keine Formel 1. Das war hart. Vielleicht kam Dir da auch schon der erste Gedanke, dich mehr deiner Familie zu widmen. Aber spulen wir vor ins Jahr 2022.
Da habe ich dich in Silverstone dann wiedergesehen. Wieder akkreditiert und an der Strecke. Als Aston-Martin-Pilot bist in die Punkte gefahren, genauso wie Mick, der Sohn deines eigenen Idols. Du hast ihn als Mentor unter deine Fittiche genommen, – einfach stark. Wie herzlich Du Carlos Sainz zu dessen ersten Sieg gratuliert hast und die Demo in deinem eigenen Mansell-Williams, davon reden wir erst gar nicht. Gerade einmal drei Wochen waren das noch, bis du die Katze aus dem Sack gelassen hast.​​​​​​
Machen wir’s kurz: Es ist unglaublich, wie die Zeit verfliegt. Und wie sehr sich ein Leben und ein Mensch verändern können. Es gab Zeiten, da galtest Du als geradezu rücksichtlos, als einer, der alles für den Sieg tat. Heute bist Du der wohl am meisten respektierte Fahrer des ganzen Feldes. Und einer der Beliebtesten. Früher pfiffen die Leute dich wegen deiner Dominanz aus, heute trauern sie Dir – und deiner wunderbar menschlichen Art – hinterher. Und auch bei mir hat sich einiges getan: Aus einem Fan ist ein professioneller Auto- & Motorsportfotograf geworden. Einer, der zwar noch viel zu lernen hat, aber einer, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Auch dank Dir, denn Du hast auch mich begeistert. Aber ich fange mich an zu wiederholen und höre an dieser Stelle lieber auf. Und sage:
Danke, Seb!
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